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Pressemitteilungen und News

Podcasts aus dem Norden

Das Format der Stunde

27.12.2021

Podcasts sind flexibel in der Nutzung und kommen besonders bei jungen Menschen immer besser an. Jetzt entdecken auch norddeutsche Verlagshäuser das Format, um ihre Reich- weite zu erhöhen. Freie Journalist*innen produzieren schon seit Jahren Podcasts, und das äußerst kreativ. Wir stellen die Szene mit einigen Beispielen aus Norddeutschland vor.

Die Freie Meena Stavesand startete einen erfolgreichen Podcast über Jung-Politiker*innen im Bundestag (Foto: privat)

Als die 43-jährige Anke Söker aus Ganderkesee an einem späten Sonnabendnachmittag im vergangenen Oktober bei hereinbrechender Dunkelheit im Wald bei Groß Ippener von zwei offensichtlich hungrigen Wölfen verfolgt wurde, war das Medienecho enorm. Die Lokalzeitung veröffentlichte ein Interview mit der Reiterin, Umweltverbände und Wolfsschützer meldeten sich zu Wort. Und der Podcast „Kreis und Quer“ der Mediengruppe Kreiszeitung widmete sich in einer Sondersendung der Frage „Wird der Wolf zur Plage?“. Innerhalb kürzester Zeit avancierte die Podcast-Folge zum bislang größten Erfolg des neuen Wochenformats. Die Podcast-Redakteure Luka Spahr und Hagen Wolf sprachen unter anderem mit einem Hobby-Schäfer aus Wagenfeld, mit einem Wolfsberater und mit Umweltminister Olaf Lies. „Zum Wolf hat jeder eine Meinung, das Thema ist hochemotional“, berichtet Spahr. „Noch sind wir dabei, mit unserem neuen Format zu experimentieren. Aber wir merken schon: Lokale Themen und auch True-Crime-Stories kommen sehr gut an.“

„Kreis und Quer“ aus Syke

Spahr witterte seine Chance, als die Mediengruppe Kreiszeitung in Syke im Jahr 2020 zwei ganze Redakteursstellen für einen neuen hauseigenen Podcast ausschrieb: „Ich hatte mich schon länger mit diesem Format beschäftigt und sehe darin großes Zukunftspotential“, erzählt der 27-Jährige. „Für mich ist ganz klar: Podcasts sind gekommen, um zu bleiben, und gerade für ein Lokalmedium wie die Mediengruppe Kreiszeitung bietet das Format neue Möglichkeiten, seine Marke zu stärken. Insbesondere bei jungen Mediennutzern, für die Podcasts eine immer größere Rolle spielen.“

Im Juli 2020 wechselte Luka Spahr, der sich auch als Fachausschuss-Sprecher Junge beim DJV Bremen engagiert, vom Newsdesk in die Podcast-Redaktion. „Von der Geschäftsführung gibt es keine Vorgaben, bestimmte Absatzzahlen zu erreichen.

Wir haben keinen Druck, dürfen uns ausprobieren“, berichtet er. „So testen wir gerade, ob monothematische Sendungen vielleicht besser bei der Hörerschaft ankommen.“ Erstmal habe man sich dagegen entschieden, reine Interview-Sendungen zu machen. So gab es in einer der letzten Sendungen eine bunte Mischung aus Besuchen bei impfenden Hausärzten, eine Blitzumfrage in Klärwerken der Region zum Welt-Toilettentag und einen Hintergrundbericht zum aktuellen Holzmangel. „Beim Lokalen können wir glänzen. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal.“

Eine Woche lang brauchen Spahr und sein Redakteurskollege Hagen Wolf für Planung, Produktion und Aufnahme eines Podcasts: In der Regel finden montags und dienstags die Termine vor Ort statt, um zu recherchieren und Interviews zu führen. Mittwochs und donnerstags sitzen die beiden eingespielten Schnacker im Studio und nehmen die Sendungen auf, schneiden sie sorgfältig, sortieren das Material. Am Freitag hören sie für den Feinschliff alles durch. Und gegen 13 Uhr geht die neue Folge dann online bei Spotify, YouTube und Apple Podcasts. Die Plattformen lassen teilweise eine genaue Hörer-Analyse zu. Zum Beispiel den Zeitpunkt, wann Nutzer den Podcast abschalten. „In der Regel passiert das immer dann, wenn wir zu sehr vom eigentlichen Thema abschweifen“, berichtet Spahr, der sich mit seinem Kollegen auch um die Bewerbung der Beiträge in Social-Media-Kanälen kümmert.

„Holstein eins zu eins“ aus Kiel

Bei den Kieler Nachrichten ist der Podcast „Holstein eins zu eins“ aus einem Videoformat hervorgegangen. Eigentlich sollten die KN-Reporter Niklas Schomburg und Marco Nehmer in regelmäßigen Film-Clips von den Ereignissen um den Fußballverein berichten. „Als wir gemerkt haben, dass die Audiomitschnitte unserer Beiträge auf den üblichen Plattformen extrem gute Abrufzahlen erreichten, sind wir auf einen reinen Podcast umgesprungen“, berichtet KN-Reporter Schomburg. Eine halbe Stunde sprechen er und Nehmer jetzt regelmäßig über das, was bei Holstein Kiel wichtig ist. „Von den Abrufzahlen sind wir positiv überrascht“, berichtet Schomburg. „Das lässt sich nicht direkt monetarisieren, aber wir generieren damit natürlich Reichweite.“ Gerade in der regionalen Fan- und Fußballszene kommt das innovative Format gut an, für Marco Nehmer ist die persönliche Note dabei entscheidend: „Wir produzieren eine launige Mischung aus Experten-Bericht und persönlichem Kneipen-Gespräch mit norddeutscher Schnauze. Vom Nachbar bis zum Sportdirektor wird das dann sehr gerne gehört.“ Nehmer hat 2017 ein Volontariat bei den Kieler Nachrichten absolviert und sieht großes Potential in Podcasts. „Ich kann mir vorstellen, in diesem Bereich noch mehr zu machen, aber als Journalist ist es für mich ein Format unter vielen. Und Schreiben macht mir immer noch sehr viel Spaß!“

„11011 Berlin“ – Hamburgerin berichtet aus dem Bundestag

Die freie Journalistin Meena Stavesand aus Hamburg machte in den Monaten vor der Bundestagswahl mit dem Podcast „11011 Berlin“ auf sich aufmerksam: Darin interviewten sie und ihre Kollegin Anja Kollruß Politiker*innen unter 30, die sich um ein Amt im Bundestag bewarben und befragten sie zu gesellschaftspolitischen Themen. „Die Rückmeldungen haben gezeigt, wie intensiv die Podcast-Folgen gehört wurden. Es sind regelrechte Debatten entstanden“, erzählt Stavesand. „Es hat sich eine sehr loyale Stammhörerschaft entwickelt.“ Entscheidend bei Podcasts sei, dass in den sozialen Medien für sie geworben werde, indem zum Beispiel Interviewte Hinweise auf Facebook, Instagram oder Twitter teilen. „Diese Vermarktungsstrategie spielt eine entscheidende Rolle“, sagt Stavesand. Direkte Einnahmen kann die AK-Leiterin Junge im Hamburger DJV mit ihren Podcasts nicht generieren. „Aber natürlich mache ich mir damit einen Namen, wenn es gut läuft, und es kommt der eine oder andere Neuauftrag zustande.“ Für sie als Texterin sei es schwierig gewesen, sich in die Technik einzuarbeiten. „Die Aufnahme, die Tonqualität, das Schneiden – es ist insgesamt extrem viel Arbeit, das kann man nicht einfach so nebenher machen“, sagt Stavesand. „Aber es macht auch großen Spaß.“

„Hobby-Podcaster“ aus Husum

Als „Hobby-Podcaster“ bezeichnet sich Jörn Schaar, der von Husum aus für den NDR in Radio, TV und Online berichtet. Er betreibt fünf Podcasts in seiner Freizeit, die teilweise tausendfach abgerufen werden: Besonders beliebt sind „Camping Caravan“ und „Nord- Süd-Gefälle“ über Unterschiede und Gemein- samkeiten von Süd- und Norddeutschland. Aber Jörn Schaar „leistet“ sich auch einen Podcast über schlechte Hai-Filme, denn „schlechte Hai-Filme haben ja keine Lobby“, sagt Schaar. „Ich mache die zur Entspannung, die Abrufzahlen sind mir nicht so wichtig, und ich genieße es, keine Vorgaben zu haben“, erzählt er. „Bei der Arbeit muss ich auf den Punkt abliefern, meist im 90-Sekunden-Format, aber in meinen Podcasts kann ich mir auch mal Zeit lassen.“ So hat er ungewöhnliches Audiomaterial im größten Fledermaus-Quartier Nordeuropas, der Kalkberghöhle in Bad Segeberg, eingefangen. „Die Geräusche der Bat Detectors hören sich wirklich irre an. Aber die müssen auch alle erst mal geschnitten und in Form gebracht werden!“ Er genieße es, sein „eigener Intendant“ zu sein, und das Feedback sei toll. „Als Podcaster kann man sich auch einen Expertenstatus aufbauen.“ Geld verdienen möchte Schaar mit seinen Podcasts nicht.

„Auf Tauchgang“ aus Cuxhaven

Einen anderen Plan verfolgten die Cuxhavener Nachrichten und die Niederelbe-Zeitung, als im vergangenen Jahr ein neuer News-Podcast ins Leben gerufen wurde. „Da durch die Produktion eines professionellen Podcasts ein erheblicher Aufwand entsteht, hatten wir uns zur Vermeidung von Diskussionen, ob ein solches Format kostenfrei angeboten werden sollte, dafür entschieden, den Podcast hinter die Paywall zu stellen“, berichtet CNV-Geschäftsführer Ralf Drossner. „Allerdings mussten wir feststellen, dass die Nachfrage eher verhalten war.“ Anschließend wurde das Format auf Probe kostenfrei zur Verfügung gestellt. Volontär Tim Fischer ist bei der Cuxhaven-Niederelbe Verlagsgesellschaft für den halbstündigen Podcast „Auf Tauchgang“ mit lokalen Reportagen zuständig. „Die Produktion ist aufwändig“, erzählt Fischer. „Ein Studio gibt es nicht. Wir fahren zu unseren Interviewgästen und nehmen grundsätzlich vor Ort auf. Und die Gespräche benötigen viel Vorbereitung und Recherche.“ Nur ein Tablet und zwei Ansteckmikrofone reichen, dann müssen Hintergrundgeräusche vermieden und ein ruhiger Ort gefunden werden. Für Tim Fischer sind interaktive Elemente entscheidend: „Wir möchten Hörer dazu bringen, sich mit Fragen an die Gäste zu beteiligen. Diese Umfragen finden dann über Instagram statt.“ Wichtig sei, dass Podcasts nicht nur passiv konsumiert werden, sagt Fischer. Nutzer müssten sich an ihnen aktiv beteiligen können".

(Florian Vollmers)

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