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Pressemitteilungen

Tipps und Denkanstöße aus dem Norden

Das ist doch „genderleicht“!

01.04.2020

Ob mit Sternchen, Unterstrich, großem I oder Doppelpunkt – Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu schreiben, gibt es viele. Im März 2019 zeigte auch der JOURNALIST unterschiedliche Kennzeichnungen der weiblichen Form auf dem Titel. Seit Jahresbeginn hat die Redaktion des DJV-Branchenmagazins ihren eigenen Umgang mit dem Thema gefunden und druckt die Hälfte der Auflage mit dem vertrauten männlichen Titel, auf der anderen Hälfte steht JOURNALISTIN.

Cover: DJV

Auch beim DJV-Bundesverbandstag in Berlin wurde über Gendersprache debattiert. Katalin Valeš aus dem sächsischen Landesverband plädierte dafür, Männer und Frauen gleichermaßen zu nennen. Valeš ist freie Journalistin und Referentin des Projektes genderleicht.de vom
Journalistinnenbund. Sie warb für das Faltblatt „Genderleicht schreiben“ mit Schreibtipps für Journalistinnen und Journalisten, das sie mitverfasst hat. Anlässe genug, sich in den Redaktionen im Norden umzuschauen.

Die Spiegel-Redaktion veröffentlichte kürzlich ihre neuen Arbeitsstandards, dort heißt es in Artikel 6: „Alle streben an, in ihren Texten beide Geschlechter abzubilden. Zum Beispiel, indem bei der ersten Nennung oder am Anfang eines Texts sowohl die männliche als auch die weibliche Form benutzt wird …“ Eine Regel, die beim Spiegel-Jugend-Ableger Bento bereits seit April 2018 angewandt wird. Das Team des ebenfalls jugendaffinen Portals Zett von Zeit Online gendert fast von Beginn an mit dem Sternchen. „Als Journalist*in sollte es mein Anspruch sein, alle meine User*innen erreichen zu wollen, ihre Vielfältigkeit anzunehmen, nicht nur zu akzeptieren“, schreibt Zett-Chefredakteurin Marieke Reimann.

Auch beim NDR gibt es ein Bewusstsein für die Gendersprache, der Sender gendert seit zwei Jahren. Der Journalistinnenbund zitiert auf genderleicht.de ein Interview mit der Gender- und Diversitybeauftragten des NDR, Nicole Schmutte: www.genderleicht.de/beim-ndr-gendern-wir-seit-zwei-jahren/. Bereits während ihres Studiums befasste sich die Germanistin mit feministischer Linguistik: „Sie erleben es beim Radiohören, wenn wir von Mitarbeitenden und Studierenden sprechen. Wenn wir sagen, dass Erzieherinnen und Erzieher auf die Straße gehen. Früher haben wir nur von Erziehern gesprochen, obwohl diese Arbeit überwiegend Frauen machen, das war auffällig und falsch.“ Die gelernte Fernsehjournalistin hat für Medienschaffende aus diesem Bereich einen einfachen Tipp: „Wenn ich geschlechtsneutral formuliere, komme ich kurz und knackig zum Ziel, was beim Texten fürs Fernsehen wichtig ist. Wenn ich Studierende, Beschäftigte oder einfach das Plenum sage, passt das für alle.“

Noch zögerlich reagieren die norddeutschen Tageszeitungen auf die Debatte. Selbst die taz, die im überregionalen Teil fast immer das Gendersternchen nutzt, schreibt in manchen Texten des Norddeutschlandteils ausschließlich von Lehrern oder Touristen. Auch die Lektüre von Weser-Kurier, Kieler Nachrichten, Braunschweiger Zeitung oder Nordwest-Zeitung zeigt, dass dort im generischen Maskulinum, also in der männlichen Form, geschrieben wird.  In den Redaktionen in Lübeck und Hannover wird immerhin über das Thema diskutiert, weiß Katalin Valeš aus ihrer Recherche: Öffnet externen Link in neuem Fensterhttps://www.genderleicht.de/luebeck-und-hannover-gendern-was-machen-die-tageszeitungen-damit/ Schließlich gendern die dortigen Stadtverwaltungen – Hannover mit Sternchen, Lübeck mit Gender-Doppelpunkt. Die Lübecker Nachrichten (LN) veröffentlichten ein Pro und Contra zum Thema.  Im Pro-Kommentar schreibt Kai Dordowsky: „Wir berichten über Highlights und Top-Events und gruseln uns, wenn aus Mitarbeitern Mitarbeitende werden?“ Jasmin Off, stellvertretende Chefredakteurin der LN, hält nichts vom Gendern und meint: „Wann immer von Bürgern oder Wählern die Rede ist, fühle ich mich mitgemeint.“ In der Zeitung hat sich an den Schreibweisen bisher nichts geändert.  Dies gilt auch für die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Dort allerdings werden mittlerweile ab und zu beide Geschlechter genannt. Zudem kommt es vor, dass Interviewte gendersensibel formulieren und dann auch so zitiert werden. Zu beobachten ist dieses Verfahren auch beim Wochenendmagazin Sonntag, das zahlreichen Madsack-Zeitungen beiliegt.  Und der DJV? Der Hamburger DJV-Vorsitzende Rudolf Roos ebnete 1990 den Boden für den ersten Arbeitskreis von Journalistinnen auf Landesebene. Es brauchte vier Anläufe, um per Antrag auf Bundesverbandstagsebene mit dem Beschluss in Kassel 1996 den DJV mit der Unterzeile „Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten“ zu kennzeichnen. 2019 stimmte der DJV-Gesamtvorstand einem Antrag zu, nach dem sich „der DJV-Bundesverband sowie die Landesverbände in internen oder an die Öffentlichkeit gerichteten Mitteilungen und Publikationen einer geschlechtergerechten und diskriminierungsfreien Sprache bedienen“ sollen. „Sprachliche Gleichberechtigung ist zeitgemäß, dem Gendern gehört die Zukunft“, sagt Christine Olderdissen, Projektleiterin beim „Team Genderleicht“. Davon scheinen auch immer mehr Medienhäuser, Institutionen, Unternehmen und Verwaltungen überzeugt. Es braucht eben Menschen, die sich für eine gendergerechte beziehungsweise neutrale Sprache einsetzen, damit sich das Bewusstsein dafür ändert. Denn: Es geht schon lange nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie. Marina Friedt / Christiane Eickmann



Tipps und Ratgeber

• Der Journalistinnenbund liefert Tipps zu „Gendergerecht schreiben in sieben Schritten“. Drei dieser Tipps lauten: „Schreiben Sie geschlechtsneutral“, „Beschreiben Sie Tätigkeiten und nicht Personen“ und „Machen Sie Frauen in Ihrem Text sichtbar“. Quelle: Öffnet externen Link in neuem Fensterhttps://www.genderleicht.de/gendergerecht-schreiben-in-sieben-schritten. • Der Leitfaden „Gendercheck“, ein praktisches Tool für den täglichen Redaktionsalltag, lässt sich als PDF hier herunterladen:
Öffnet externen Link in neuem Fensterhttps://www.genderleicht.de/gendercheck • Die Seite Öffnet externen Link in neuem Fensterhttps://geschicktgendern.de bietet ein Genderwörterbuch, das seit 2015 ständig ergänzt wird. • Gabriele Diewald und Anja Steinhauer haben im Duden-Verlag den Ratgeber „Richtig gendern. Wie Sie angemessen und verständlich schreiben“ veröffentlicht. Im gleichen Verlag ist der Band „Gendern? Gleichberechtigung in der Sprache. Ein Für und Wider“ von Anne Wizorek und Hannah Lühmann erschienen.

Einfach mal die Perspektive wechseln

Haben Sie sich in Ihrem redaktionellen Alltag schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie Sie zum Gendern stehen? Falls Sie zu der Gruppe zählen, die das für überflüssig hält, gebe ich Ihnen ein Beispiel auf den Weg. Stellen Sie sich die Frage nach den größten Dichtern, Malern, Wissenschaftlern – welche Namen kommen Ihnen als erstes in den Sinn? In der Regel Männernamen. Stimmt, oder? Wenn Sie aber die Fragen nach den berühmtesten Dichterinnen, Malerinnen oder Wissenschaftlerinnen ergänzen, fallen Ihnen auch weibliche Vertreterinnen ein – die Perspektive hat sich verändert! Mich überzeugte das Beispiel und viele andere Institutionen wie den Verband der Pressesprecher wohl auch, die Stadtverwaltungen von Hannover, Flensburg und Lübeck sowieso. In obigem Beitrag sind übrigens alle genderneutralen Begriffe gefettet.  mf
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